Dōng Shī xiào pín.
Die Schönheit Xī Shī lebte in einer ostchinesischen Kleinstadt.
Es gab noch eine andere junge Frau mit dem Familiennamen Shī (施). Um die beiden zu unterscheiden, nannten die Leute die, die am Ostufer wohnte, Dōng Shī (东施, Östliche Shī), die vom Westufer dagegen Xī Shī (西施, Westliche Shi). Xī Shī war ausnehmend hübsch. Dagegen hatte die Natur Dōng Shī stiefmütterlich bedacht: Sie war verwachsen und hatte vorstehende Zähne.
Weil Xī Shī ein Herzleiden hatte, sah man sie oft die Stirn in Falten ziehen. Dann zeigte sich auf ihrem Gesicht ein feiner Zug der Trauer. „Oh“, sagten die Leute, „Xī Shī ist noch schöner geworden, wenn sie ihre Stirne runzelt.“
Die hässliche Dōng Shī bemerkte, wie gut das ankam, und so legte auch sie die Hände vor die Brust und runzelte die Stirn. Daher die Redewendung „Dōng Shī runzelt die Stirn“. Doch als die Reichen sie erblickten, schlossen sie ihre Türen und die Armen flohen aufs Feld. Eines hatte Dōng Shī nicht bedacht: dass Stirnrunzeln nur dann ein Gesicht ziert, wenn es auch wirklich schön ist.
Xī Shī (西 施) bei der Arbeit
Vokabeln:
东 dōng Osten; Langzeichen: 東 | 施 Shī Familienname | 傚 xiào nachahmen | 颦 pín Stirnrunzeln (Langzeichen: 顰) |
Xī Shī lebte um 500 v. u. Z. und soll unglaublich schön gewesen sein. Sie gilt aber auch etwas wie eine Nationalheldin: Das Königreich Yuè (越), in dem sie lebte, wurde 494 v. u. Z. vom Königreich Wú (吴); besiegt und König Gōu Jiàn (勾踐) geriet für drei Jahre in die Gefangenschaft von Fū Chāi (夫差), dem Prinzen von Yuè.
Als er wieder frei war schwor er Rache. Er legte seine weiche Schlafmatte weg, und schlief nur noch auf hartem Brennholz. Vor jeder Mahlzeit probierte er bittere Galle und stellte sich dabei immer wieder die Frage: „Hast du die Demütigung und Schande von Kuaiji schon vergessen?“
卧薪尝胆。
Wò xīn cháng dǎn.
Auf Brennholz schlafen und Galle probieren.
Vokabeln:
卧 wò liegen | 薪 xīn Brennholz, Gehalt | 尝 cháng probieren (Langzeichen: 嘗) | 胆 dǎn Galle |
Verwendung:
Die Redewendung „auf Brennholz schlafen und Galle probieren” wird heute noch verwendet, wenn jemand mit Ehrgeiz und Beharrlichkeit zum Erfolg strebt.
Zur Verwirklichung seiner Rache ließ König Gōu Jiàn nach dem schönsten Mädchen in seinem Reich suchen. Aus dem Casting ging Xī Shī hervor, die einwilligte, sich für ihre Heimat zu opfern. Sie wurde also in schöne Kleider gehüllt und zum Prinzen von Wu geschickt.
Fū Chāi war hocherfreut, und Xī Shī verstand es, ihn so zu bezirzen, dass er seine Regierungsgeschäfte vernachlässigte. Mehr noch: Er verließ die Hauptstadt, um Xi Shi in seinem Reich herumzuzeigen und man berichtet, dass man Goldmünzen in eine Kassette werfen mussten, um sie zu sehen. Das Ziel des Königs von Yuè war damit erreicht: Es war nun ein Leichtes, das Land Wú einzunehmen.
Über das weitere Schicksal von Xī Shī erzählt man sich, dass sie in den Westsee (西湖 Xīhú), bei der ostchinesischen Stadt Hángzhōu (杭州) verwandelt wurde. Alle Frauen, die dort ihr Spiegelbild erblicken, sollen sich als so schön erleben, wie es Xī Shī war.