Interview Beatrix Frisch und Peter Keim

Gespräch sitzend

China bleibt einfach eine Herausforderung.

Beatrix Frisch: General Manager China Operations für Mackevision CG Technologies and Services (Shanghai) Co. Ltd.
Abschlussjahrgang 1997 / Studienschwerpunkt China

Peter Keim: Selbstständig im Bereich Vertrieb, Marketing und Beratung
Abschlussjahrgang 1998 / Studienschwerpunkt China

Beatrix, Peter, stellt euch doch zunächst einmal kurz vor.

Beatrix: Ich habe 1992 am OAI im Fachbereich China angefangen, im Frühjahr 1997 mein Diplom absolviert und danach direkt bei Volkswagen in Wolfsburg angefangen zu arbeiten. Seit meinem Abschluss bin ich beruflich sowohl in Deutschland als auch in China, in der Zwischenzeit auch einmal in England, tätig. Ich war also weder kontinuierlich in Deutschland noch in China. Bei meinen Tätigkeiten habe ich mich jedoch immer mit Themen rund um China befasst.
Derzeit wohne ich sowohl in Beijing als auch in Berlin. Geplant ist, dass ich Ende des Jahres nach Deutschland zurückkomme und dann innerhalb meiner aktuellen Firma Mackevision eine neue Aufgabe übernehme.

Peter: Ich habe 1991 angefangen zu studieren und 1998 meinen Abschluss gemacht. Anschließend bin ich für die Firma Kömmerling, einem Unternehmen aus der Pfalz, nach China gegangen. Seitdem wohne ich auch dort, derzeit in Shanghai. Angefangen habe ich im Bausektor. In diesem Bereich war ich bei verschiedenen Firmen im Vertrieb und Marketing tätig. Später ging es für mich in den Bereich Maschinen. Allerdings ging die Firma, für die ich damals arbeitete, insolvent. Anstatt zurück nach Deutschland zu kehren, beschloss ich, mein Hobby zum Beruf zu machen. Ich habe mich selbstständig gemacht und Abenteuermotorradreisen in China, Tibet und dem angrenzenden Ausland wie zum Beispiel Laos angeboten und auch selbst geführt. Nach vier Jahren ging es dann wieder zurück in ein reguläres Angestelltenverhältnis bei Fuchs Petrolub aus Mannheim.

In welchen Unternehmen seid ihr momentan tätig und welche Aufgaben übernehmt ihr dort?

Beatrix: Seit Anfang 2015 bin ich bei Mackevision als General Manager für den chinesischen Markt zuständig und habe dort die Produktion basierend auf einer existenten Niederlassung für Sales und Consulting aufgebaut. Ich habe also das komplette Geschäft übernommen und die Mackevision zu einem produktiven Dienstleister in China ausgebaut. Mackevision ist ein Unternehmen aus Stuttgart, damals noch Mittelständler, im Bereich 3D-Visualisierung (CGI- Computer Generated Imagery) tätig. Zu dieser Position bin ich über die Vermittlung eines anderen OAI Alumni, der als Headhunter eingeschaltet war, gekommen. Mittlerweile gehört Mackevision zu Accenture.

Peter: Ich habe mein derzeitiges Arbeitsverhältnis in China beendet und werde im Sommer dieses Jahr nach 20 Jahren mit meiner Familie wieder nach Deutschland zurückkommen. Zukünftig werde ich selbstständig im Bereich Vertrieb, Marketing und damit zusammenhängende Beratung arbeiten, und chinesische Unternehmen, die in der EU Produkte verkaufen und Dienstleistungen anbieten wollen, dabei helfen. Ich werde also nicht wie zuvor versuchen, den deutschen Mittelstand in China voranzubringen, sondern umgekehrt den chinesischen Mittelstand in Deutschland beziehungsweise Europa, zu unterstützen.

Ihr seid beide schon seit geraumer Zeit am chinesischen Markt tätig. Vor welchen Herausforderungen standet ihr, als ihr angefangen habt, und vor welchen steht ihr heute noch?

Beatrix: Als ich 1991 zum ersten Mal zum Studieren in Beijing war, war China nach außen hin ein ganz anderes Land, als es heute ist. China ist ein Land, welches sich seit rund 40 Jahren in stetiger Veränderung befindet, was wiederum Herausforderungen für das Land selbst, aber natürlich auch für jeden, der dort ist, darstellt.
Jeder erwartet, dass das Land moderner und einfacher wird, besonders die Unternehmen, die hier in Deutschland oder der EU zu Hause sind. Dem ist jedoch nicht so, denn China ist und bleibt immer noch China, mit seinem eigenen Kulturkreis und seinen eigenen Denkweisen. Es ist nun mal ein Land, das selbst noch kein ausgewogenes Gleichgewicht gefunden hat, sei es in der Politik, der Wirtschaftsführung, der Ausbildung oder ähnlichem. Und besonders das stellt natürlich auch Herausforderungen für diejenigen dar, die schon seit längerer Zeit dort sind. Auf der einen Seite ist China gewiss kein Schwellenland mehr, auf der anderen Seite aber auch noch nicht mit irgendeinem anderen Land vergleichbar. China bleibt einfach eine Herausforderung.

Wie geht ihr mit diesen stetigen Herausforderungen um?

Beatrix: Man wird ruhiger mit der Zeit und man entwickelt eine gewisse Abgeklärtheit, wenn man lange dort ist. Wenn beispielsweise neue Regularien in der Besteuerung aufgestellt werden oder von Seiten der Hersteller etwas Neues kommt, hilft es, erstmal ruhig zu bleiben und nicht sofort in einen Alarmmodus umzuschalten. Nachdem man sich den Fall genauer angeschaut und durchgesprochen hat, stellt sich oft heraus, dass es der alte Wolf im neuen Schafsfell ist.
Man muss jedoch hervorheben, dass es ein unglaublicher Anspruch an Flexibilität birgt, denn irgendwas wird dann doch wieder neu gemacht. Ob es dann jedoch wirklich neu ist, ist eine andere Frage. Man kann sich auf nichts ausruhen, es ist eigentlich immer wieder neue Arbeit, die auf einen zukommt.

Was sind deine Erfahrungen, Peter?

Peter: China muss man leben wollen. Die Geschwindigkeit dort ist unheimlich hoch. Geschäfte werden dort nach dem Motto Business-24-hours getätigt und da muss man auch in gewissen Bereichen bereit sein, dies mitzumachen und Einsatz zu zeigen.
Der Anspruch an diejenigen, die rüber nach China gehen, ist ebenfalls gestiegen. Dass man sehr gute Grundkenntnisse in Chinesisch mitbringt, ist zu einer Selbstverständlichkeit geworden.
Hinzukommt, dass auf Seiten des chinesischen Arbeitsmarktes sich auch viel verändert hat.
Die jungen Chinesen, die neu auf den Markt kommen, sind gut ausgebildet und sprechen gutes Englisch oder auch andere Fremdsprachen, die Konkurrenz ist also definitiv da.

Welche Ratschläge könnt ihr den heutigen Studenten, die kurz vor ihrem Abschluss stehen und zukünftig nach China gehen wollen, geben?

Beatrix: Es ist schwierig. Ich denke, es ist immer noch so, dass viele Unternehmen noch nicht wirklich den Wert erkannt haben, wenn man diese zweiseitige Ausbildung, die das OAI bietet, durchlaufen hat. Darüber hinaus muss man sich bewusst sein, dass die Regularien in China andere sind. Heute werden zwei Jahre Arbeitserfahrung vorausgesetzt, um ein Arbeitsvisum zu bekommen und selbst dann ist es nicht leicht, sofort Fuß zu fassen. Außerdem gibt es kein Visum mehr für Praktika, da China diese Stellen gerne an chinesischen Studenten vergeben möchte.
Aus meinen Erfahrungen heraus kann ich sagen, dass es besser ist, erstmal Grundkenntnisse über die Firma innerhalb Deutschlands oder Europas zu erlangen, somit die zwei Jahre Berufserfahrung zu überbrücken und dann nach China zu gehen. Dies hat zum einen den Vorteil, dass man das China-Geschäft des Unternehmens von der deutschen Perspektive kennenlernt und zum anderen erscheint man später vor Ort aus Sicht der chinesischen Unternehmen und Kunden glaubwürdiger.

Peter: Ich kann empfehlen, während des Studiums schon einmal erste Kontakte zu Unternehmen zu knüpfen und später dann unter dem Schutz eines Unternehmens nach China zu gehen. In diesem Zusammenhang würde ich ein deutsches Unternehmen vorziehen, denn diese sind meist gut strukturiert, die Bezahlung ist nicht schlecht und sie sind auch oft bereit, ihren zukünftigen Mitarbeitern zu helfen, wenn sie ins Ausland wollen.
Als ich damals angefangen habe, waren die Unternehmen erstmal froh, dass überhaupt jemand nach China wollte und dann auch dort geblieben ist. Jemanden vor Ort zu haben, mit dem man auf Deutsch kommunizieren kann, ist ein großer Vorteil für die Unternehmen, auch heute noch.

Beatrix: Eine andere Möglichkeit, um nach dem Abschluss in China beruflich tätig zu werden, ist, einen Master dort zu machen, da es dann auch einfacher ist, ein Arbeitsvisum zu bekommen. Wie Peter schon sagte, Praktika zu machen, um sich in die Arbeitswelt einzufinden und sich bei den Unternehmen zu profilieren, ist ebenfalls zu empfehlen.
Auf der andern Seite gibt es immer mehr chinesischen Unternehmen, die sich in Europa etablieren möchten. Oft wissen diese nicht, wie das Geschäftsleben in Anbetracht der Regularien hier in Deutschland abläuft, was die Möglichkeit bietet, sich hier den chinesischen Unternehmen anzubieten und diese zu unterstützen. Man sollte also keineswegs Angst haben, auch mal die Initiative zu ergreifen und an chinesische Unternehmen in Europa heranzutreten.

Ein Punkt, der sicher auch für unsere Studierende mit Schwerpunkt Japan und Korea interessant ist.

Vielen Dank für das interessante Interview und auch weiterhin viel Erfolg!

(Das Interview führte Svenja Neu.) 

Nach oben scrollen
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner