Hintergrund: Shōgi [将棋] ist ein japanischer Ableger des Schachspiels, der seit mehreren Jahren auch in Europa immer mehr Anhänger findet. Rund 150 Spieler betreiben den Denksport in Deutschland. Zentren gibt es in Stuttgart, Karlsruhe und Ludwigshafen, wo 2011 bereits die Europameisterschaft stattfand. Am Wochenende ging ein Shōgi Festival über die Bühne.

Der 60 Jahre alte Aono Teruichi (青野照市) zählte früher zu den weltbesten Shōgi-Spielern.
„Ludwigshafen. Andächtig stehen die Spieler um den freundlichen Herrn aus Japan, der gerade Autogramme schreibt. Doch Teruichi Aono, ein Großmeister in der japanischen Schachvariante Shōgi, kritzelt nicht – wie hierzulande üblich – lustlos seinen Namen auf eigene Fotos, sondern zeichnet sorgfältig mit Tusche eine Mattaufgabe aufs Papier. Daneben setzt er elegant seinen Namen und den selbst gewählten Wahlspruch – alles in den sogenannten Kanji [漢字], den fernöstlichen Schriftzeichen. „Sie werden eine Weile brauchen, bis Sie die Lösung finden”, meint er gut gelaunt zu den Wartenden. Die Spieler sind begeistert und bedanken sich artig und stilsicher mit einer Verbeugung.
Aono kam als Stargast zum German International Shōgi Festival, das am Wochenende im Ludwigshafener Ostasieninstitut (OAI) stattfand. Mit ihm holten die Veranstalter um OAI-Direktor Frank Rövekamp und Oliver Orschiedt, dem Chef von Shōgi Kurpfalz, einen ganz Großen aus der Welt des Shōgi nach Deutschland. Der 60-Jährige zählte in seinen Glanzzeiten zu den weltbesten Shōgi-Spielern, kann aber auch heute noch in der Eliteklasse Japans mithalten. „Mit Disziplin und einem angemessenen Lebenswandel habe ich mich lange in den Top Ten halten können”, sagt Aono stolz, zumal seine Altersgenossen längst nicht mehr vorne mitmischen könnten. Heute ist Aono vorwiegend als Funktionär des japanischen Shōgi-Verbandes unterwegs. Er bereist viele europäische Länder, um dort für die Verbreitung des Brettspiels zu sorgen. Seit zwei Jahren kann er dies in offizieller Mission, denn 2011 zeichnete der japanische Außenminister den Shōgi-Großmeister als Kulturbotschafter des Landes aus – in Japan eine selten vergebene Ehrung. Mit dem in Ludwigshafen gezeigten Niveau zeigt sich Aono zufrieden: „Die Spielstärke der Amateure im Ausland wächst ständig; sodass mittlerweile die ersten Europäer auch in Japan in die Eliteklasse vorstoßen”.
Wichtig ist Aono neben der Spielstärke aber auch die Etikette im Shōgi, auf die in Japan höchsten Wert gelegt werde. „Der gegenseitige Respekt, symbolisiert durch die Verbeugung vor und nach jedem Spiel, und das faire Akzeptieren einer Niederlage”, gehören für ihn dazu. Daneben sei Shōgi förderlich für die Konzentrationsfähigkeit und das intellektuelle Vermögen eines Spielers. In Japan, wo an Schulen und Universitäten häufig allzu einseitig nur Wissen abgefragt werde, bilde das Shōgi einen wichtigen Gegenpol, mit dem man komplexe Problemlösungen und analytische Fähigkeiten trainieren könne.
Rund 50 Spieler aus sechs Ländern hatten sich angemeldet, um an dem Open teilzunehmen, darunter mindestens ein Drittel aus dem Jugendbereich. Die meisten fanden über das europäische Schach den Weg zum Shōgi, doch es gibt auch Ausnahmen wie Valentin Pfaff. Der 17-jährige Auszubildende aus Karlsruhe, Sohn einer Halbjapanerin, fand ein Shōgibrett zu Hause und lernte die Regeln.
Nicht ganz glücklich mit seiner Ausbeute ist Peter Pham. Der Abiturient aus Ludwigshafen (20) ist seit knapp drei Jahren dabei und hat Shōgi beim Schachklub 1912 Ludwigshafen erlernt. Dort gibt es eine kleine, aber aktive Shōgi-Abteilung. Ihre Künste konnten die Nachwuchsspieler beim Simultanspiel mit Aono ausprobieren. Dabei spielt der Großmeister gegen mehrere Gegner gleichzeitig, denen er je nach Spielstärke eine oder mehrere Figuren Vorsprung gibt, damit diese nicht völlig chancenlos sind.”
(Marcel Böhles in der Rheinpfalz vom 15. Oktober 2013)

(dahinter Oliver Orschiedt und Prof. Frank Rövekamp)
Nils fragt
Was ist Shōgi?
„Gestern habe ich zum ersten Mal etwas von Shōgi gehört. Das Schachspiel kannte ich ja schon, aber ich wusste nicht, dass es in Japan so etwas Ähnliches gibt. Shōgi ist ein Brettspiel, das die Japaner vor etwa 400 Jahren erfunden haben. Zwei Spieler kämpfen dabei gegeneinander auf einem Brett, das neun Mal neun Felder groß ist. Jeder Spieler hat am Anfang 20 Figuren: Bauern, Läufer, Springer, Lanzen, Dame, Goldgeneral und einen König. Ziel des Spiels ist es, den König des Gegners gefangen zu nehmen, ihn also mattzusetzen. Anders als beim Schach darf ein Spieler die geschlagenen Figuren seines Gegners für sich einsetzen. Etwas ungewohnt für Nicht-Japaner sind die Spielsteine: Man kann sie nur unterscheiden durch die Schriftzeichen die auf ihnen stehen. Zudem ist es wichtig, in welche Richtung die Spielsteine zeigen, denn dadurch weiß ich, welche Figuren zu mir gehören.” (mrb)