Interview vom 09.04.2018 in DIE RHEINPFALZ
MEINUNG AM MONTAG: Die politische Situation in Korea wird aus Ludwigshafen genau beobachtet. Am Ostasieninstitut (OAI) gibt es seit 2016 einen Studienschwerpunkt zur Halbinsel. Im Sommer brechen daher erstmals zwölf OAI-Studenten zu einem Auslandsjahr nach Südkorea auf. Ein Gespräch mit der OAI-Wissenschaftlerin Christine Liew über Politik und Perspektiven.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un hat vergangene Woche ein Popkonzert in Südkorea besucht.
Das ist wirklich hochinteressant. Es gab ja zwei Konzerte: Eins am Sonntag, nur für südkoreanische Popkünstler, und dann das zweite am Dienstag mit Künstlern aus Süd- und Nordkorea. Kim Jong Un ist ganz überraschend zum ersten gekommen. Was auch interessant ist: Dass er seine Frau mitgebracht hat.
Warum ist das etwas Besonderes?
Es ist etwas Neues. Das war bei Kim Il Sung und Kim Jong Il – also bei Großvater und Vater – absolut nicht üblich. Bei denen war man sich gar nicht sicher: Lebt die Ehefrau noch? Ist das schon Ehefrau Nummer zwei?
Also möchte Nordkorea ein bisschen Normalität zeigen?
Ja. Aber wir müssen immer daran denken: Das ist alles durchdacht.
Kann man Ereignisse wie den Konzertbesuch und die Teilnahme nordkoreanischer Sportler an den Olympischen Spielen als positives Zeichen werten?
Ja, natürlich. Das große Ziel ist, dass sich die Lage in Korea entspannt. Ganz überraschend ist die Entwicklung aber nicht. Diese Tendenz ist ein ganz klar ausgesprochener Wunsch Nordkoreas aus dem Jahr 2013: Wenn die militärische Stärke da ist, können wir uns auch an die Stärkung der eigenen Wirtschaft machen.
Und warum gab es immer wieder nordkoreanische Raketentests?
Das Militär hat durch diese ganzen Tests ein Niveau erreicht, mit dem es nun sagen kann: Wir sind jetzt an dem Punkt angelangt, an dem wir einsatzfähige Nuklearwaffen haben. Jetzt können wir uns auf Augenhöhe auf Gespräche einlassen.
Welche Rolle haben die Olympischen Spiele in Südkorea dabei gespielt?
Sport ist ein ganz wichtiger Schlüssel, um unbefangen wieder aufeinander zuzugehen. Die Einladung an Nordkorea war schon recht lange vom Süden ausgesprochen. Darauf kam erst keine Reaktion und dann eine ablehnende. Jetzt sind die Spiele für beide Seiten sehr positiv verlaufen und man überlegt, ob man für die Asian Games in diesem Jahr gemeinsam ein Taekwondo-Team aufstellt.
Woher erhalten Sie Ihre Informationen über Korea? Über die Medien oder über persönliche Kontakte?
Wir vom Ostasieninstitut haben einige Kontakte nach Südkorea. Aber das hilft eher, ein Stimmungsbild einzufangen. Die Fakten kommen von Analysten im Netz oder anderen Hochschulen. Man muss sich sehr genau und breit informieren. Man kann sich leider nicht auf die deutschsprachigen Medien alleine verlassen.
Warum nicht?
Wenn man sich genauer mit so einer geopolitischen Lage auseinandersetzen will, darf man nicht nur aus einem Blickwinkel schauen. Man muss auch berücksichtigen: Wie sehen das die Nachbarstaaten. Ich gucke mir zum Beispiel auch die japanischen Medien an.
ZUR PERSON
Christine Liew
Die Ostasienwissenschaftlerin (Jahrgang 1966) koordiniert seit 2012 den Studiengang International Business Management (East Asia) am OAI und war zudem für den Aufbau des Studienschwerpunkts Korea zuständig, der seit 2016 angeboten wird. Außerdem ist Liew stellvertretende Leiterin des Insitituts, das zur Hochschule Ludwigshafen gehört. Die Studenten können Betriebswirtschaftslehre mit besonderem Bezug zu China, Korea oder Japan studieren. Zu letzterem Land hat Liew eine besondere Verbindung: Sie machte ihren Magisterabschluss an der Tohoku-Universität und lernte dort ihren Mann kennen. |rxs
Wie ist die Stimmung bei den Menschen in Südkorea? Das OAI hat dort fünf Partnerhochschulen.
Ein bisschen kann man das vergleichen mit der Zeit in den 80ern vor der Wiedervereinigung Deutschlands. Auch in der Bundesrepublik war die junge Generation gar nicht mehr so interessiert an einer Wiedervereinigung. So ist es in Korea ebenfalls. Südkorea hat sich unsere Wiedervereinigung genau angesehen und weiß, dass das eine große Herausforderung wäre: finanziell und gesellschaftlich. Es ist gegenwärtig dort ohnehin schwierig, ein festes Arbeitsverhältnis zu finden. Ich habe eher den Eindruck, das geht den jungen Leuten aktuell alles zu schnell. Im Moment nimmt ja auch niemand das Wort „Wiedervereinigung“ in den Mund.
Wie sehr prägt der Konflikt die Arbeit des OAI?
Die Studierenden mit Korea-Schwerpunkt machen jede Woche einen Rückblick und besprechen, was in Korea geschehen ist. Ich möchte die Studierenden dazu bringen, am Ball zu bleiben und die Lage mit Abstand zu betrachten. Gerade weil sich junge Leute oft nur über ein Medium informieren.
Das ist der inhaltliche Aspekt. In wiefern wird das OAI organisatorisch vom Konflikt beeinflusst?
Unser Studiengang verpflichtet jeden Studierenden, für ein Jahr ins Ausland zu gehen. Wir bereiten momentan den Aufenthalt für die ersten vor, die nach Korea gehen. Den Korea-Schwerpunkt gibt es ja erst seit 2016. Wir werden ihnen natürlich gewisse Sicherheitshinweise mitgeben: Sie sollen sich beispielsweise bei der deutschen Vertretung registrieren lassen, damit im Fall der Fälle Kontakt aufgenommen werden kann.
Im Fall der Fälle heißt was?
Das steht für irgendeine Krise. Das machen wir mit unseren Japan-Studierenden auch. „Im Fall der Fälle“ heißt da vor allem: eine Naturkatastrophe. Wir haben aber auch immer wieder Leute, die sagen: Ich würde ja gerne den Koreazweig wählen, aber meine Eltern sind dagegen.
Wegen Sicherheitsbedenken.
Ja. Das akzeptieren wir natürlich.
Die Studenten haben keine Bedenken?
Für die jungen Studierenden steht die Politik nicht so im Fokus. Deren Generation kennt persönlich ja gar keine militärische Auseinandersetzung. Die Eltern kennen es vielleicht noch von ihren Eltern. Aber wir sind absolut zuversichtlich, dass sich unsere Partnerhochschulen hervorragend um unsere Studierenden kümmern werden.
Waren Sie schon mal in Nordkorea?
Nein.
Es gibt ja tatsächlich touristische Angebote, dorthin zu reisen.
Wir haben gerade eine Sprachreise angeboten bekommen: drei Wochen Pjöngjang im August. Allerdings mit zweitägigem Vorbereitungsseminar in Peking, damit keine hässlichen Zwischenfälle passieren. Aber ob man an so etwas teilnehmen möchte, muss man sich gut überlegen.
Was ist Ihr Wunsch für Korea?
Nicht die Wiedervereinigung. Mein Wunsch ist, dass sich Nordkorea langsam und behutsam öffnet, mit Unterstützung der Anrainerstaaten.
| INTERVIEW: REBEKKA SAMBALE (DIE RHEINPFALZ)