Google spuckt Ludwigshafen aus

Der Start an der Universität ist etwas Besonderes: neue Leute, neuer Abschnitt, neue Umgebung. Dort, sagen viele Anekdoten, verlaufen sich die Erstsemester gerne in ihren Anfangstagen. Die Hochschule Ludwigshafen beugt mit Orientierungstagen vor. Gestern ging’s los — damit die 705 „Erstis” zum Vorlesungsstart nächste Woche bereit sind.

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Prof. Dr. Peter Mudra sitzt auf einem Stuhl neben der ersten Reihe, der Ludwigshafener Hochschul-Präsident hat zur Begrüßungsfeier keinen Platz mehr bekommen im Hörsaal. Die sesselartigen Sitzgelegenheiten überlässt er den Neuankömmlingen und entschuldigt sich bei denen, die dennoch stehen müssen. 947 Erstsemester haben sich in Ludwigshafen eingeschrieben, davon 705 Bachelor-Erstis. „Wir sind förmlich überrannt worden”, stellt Mudra fest. Aber das freut ihn, zeigt es doch das Interesse junger Menschen an einer Ausbildung an „seiner” Fachhochschule. Deren Vorzüge, die Praxisnähe, stellt er sogleich heraus: „Sie dürfen hier ganz straffrei fragen”, sagt der Präsident zu seinem Auditorium, „warum lernen wir das Ganze eigentlich? Welchen Nutzen hat das in der Realität?” An einer der Theorie verschriebenen Universität würden die Professoren darauf teilweise pikiert reagieren – in Ludwigshafen nicht, meint Mudra. …

Die Orientierungstage helfen den Studierenden beim Sprung ins kalte Wasser. Und sie sind froh, dass es diese Tage gibt. „Sonst, wären wir wohl aufgeschmissen”, sagen einige Studenten am Rande, denen man noch anmerkt, dass sie ein wenig orientierungslos sind. Nun machen sie sich mit dem neuen Umfeld vertraut, lösen etwaige Wohnungsprobleme, lernen schon jetzt neue Leute kennen, kommen im Foyer miteinander ins Gespräch.

„Das ist das Wichtigste”, sagt Giovanni Patruno. Er ist der Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA). Gemeinsam mit Patrick Tchouba, einem Studenten aus Kamerun, stellt er sein Gremium vor. Das machen sie auf unterhaltsame Weise, frotzeln mit und über die Zuhörer, lachen und jubeln. Tchouba geht mit dem Mikrofon ins Publikum, fragt nach der Motivation einer willkürlich ausgewählten Studentin, sich für die Hochschule Ludwigshafen zu entscheiden. „Google hat es mir gesagt”, lautet die Antwort von Anna aus Köln, was an dieser Stelle als Personenbeschreibung reichen soll. Tchouba grinst und fragt nach: „Wie meinst du das?” Anna erklärt: „Ich wollte etwas mit Management studieren, am besten in Kombination mit einer asiatischen Sprache. Google meinte, das geht hier.”

Sie sollen von den Erfahrungen der Älteren profitieren, sagen die beiden zu ihren Mitstudenten und laden zum Plausch aus dem Nähkästchen.

Denn nicht alles, was die Offiziellen sagen, würde so zutreffen. Die von Hochschul-Präsident Mudra aufgegriffene Frage zum Beispiel „Warum das Ganze?”, empfiehlt Patruno, würde er vermeiden. Im vergangenen Semester habe sie ein Kommilitone gestellt – und die Durchfallquote bei der Klausur habe etwa 80 Prozent betragen. Der Asta-Vorsitzende schaut zum Stuhl des Präsidenten. Doch der ist leer.
(Sven Wenzel in der Rheinpfalz vom 23. September 2014)

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